Jürgen Geiger: „Klare Kante“ gegen Hetzer zeigen

09. Juni 2016  Region, Singen

Der Südkurier hat Politiker_innen aus dem Landkreis nach ihrer Meinung zum Fall Gedeon befragt. Der Singener AfD-Landtagsabgeordnete sorgt wegen offen antisemitischer Verlautbarungen gegenwärtig für einigen medialen Wirbel. Auch der Landtagskandidat der LINKEN im Wahlkreis Singen, Jürgen Geiger, wurde von der Redaktion um eine Stellungnahme gebeten, sie ist,  zusammen mit denen weiterer Politiker_innen und Mandatsträger_innen heute auch im Singener Lokalteil der Zeitung nachzulesen.

Ich habe im Wahlkampf bei Veranstaltungen Gedeon konsequent den Handschlag verweigert und das damit begründet, dass ich Rassisten nicht die Hand reiche. Die jetzt bekanntgewordenen widerlichen antisemitischen Verlautbarungen kannte ich damals nicht, dafür andere, nicht minder rassistische Äußerungen. Für mich war und ist klar: gegen solche Hetzer muss klare Kante gezeigt werden, mit ihnen kann es keinen Dialog geben. Die jetzt von Politikern von der CDU bis zu den Grünen an den Tag gelegte Empörung finde ich deshalb – vorsichtig formuliert – überraschend, denn die menschenfeindlichen Positionen des Herrn Gedeon waren und sind ja kein Geheimnis.

Für mich greifen die jetzt überall lautwerdenden Rücktritts- und Ausschlussforderungen auch zu kurz. Das Hauptproblem liegt weniger in solch abstoßenden Figuren (von denen es in dieser Partei wahrlich genug gibt), sondern im Gesellschaftsbild, für das die AfD mobilisiert: Es greift durch die neoliberale Politik des Sozialabbaus entstandene Unsicherheiten auf und will die Zukunftsängste vieler in völkisch-nationalistische Bahnen lenken: Die deutsche Volksgemeinschaft als Rezept gegen die gesellschaftlichen Verwerfungen der kapitalistischen Produktionsweise. Motto: Wenn wir gegen die da draussen zusammenhalten, schaffen wir das schon. Dieses Denkmuster wird nicht mit der Person Gedeon verschwinden – mit ihm gilt es sich auseinanderzusetzen. Denn das beschworene deutsche Wir gibt es natürlich nicht, die Widersprüche verlaufen nicht zwischen Drinnen und Draussen, sondern zwischen Oben und Unten. Nicht die Flüchtlinge sind für Niedriglöhne und Elendsrenten verantwortlich, sondern eine Politik, die systematisch zugunsten der Reichen umverteilt.

Die AfD-interne Kritik an Gedeon scheint mir übrigens rein taktisch motiviert: Noch überwiegen dort offenbar Kräfte, die den Marsch in die offen nationalistische und autoritäre Gesellschaft häppchenweise schmackhaft machen wollen.

Jürgen Geiger

Zum Südkurier-Beitrag: Antisemitismus-Vorwürfe: So reagieren Politiker aus der Region auf die Äußerungen von Wolfgang Gedeon


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