Am 4. September haben Sahra Wagenknecht und einige weitere Mitglieder des Gründungskreises von #Aufstehen ihre Initiative vorgestellt. Aufgrund der dadurch ausgelösten innerparteilichen Diskussion, sowie ihrem personellen Hintergrund, erklärt der Kreisvorstand der Partei DIE LINKE. in Konstanz:
Die Initiative #Aufstehen ist ein persönliches Projekt von Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine sowie weiterer Einzelpersonen. Sie ist kein Vorhaben der Partei DIE LINKE. Der Kreisvorstand wird nicht zu einer Teilnahme an der Initiative aufrufen. Wir verfolgen #Aufstehen im Kontext der innerparteilichen Debatten der vergangenen Monate aus mehreren Gründen kritisch und möchten das an einigen Punkten konkretisieren:
Im Gründungsaufruf weisen die InitiatorInnen auf eine Reihe von drängenden gesellschaftlichen, politischen und sozialen Problemen hin (Auseinanderklaffen von Arm und Reich durch Sozialabbau und Niedriglohnsektor etwa) und benennen Verursacher und Profiteure (neoliberale Politiker, Großunternehmen, Wohlhabende). Gleichzeitig blenden sie wichtige Aspekte der gesellschaftlichen Entwicklung weitgehend aus oder verengen sie.
So bagatellisiert der Aufruf etwa den Vormarsch nationalistisch-völkischer Kräfte, deren Anhänger sich hierzulande in der und um die AfD sammeln. Stattdessen wird für das Wachstum sozialer Widersprüche auch die Aufnahme von Flüchtlingen verantwortlich gemacht, was wiederum zur Zunahme der erschreckenden Hetze und Gewalt gegen alle geführt habe, die nicht ins vermeintlich biodeutsche Normalbild passen.
Damit wird ein direkter Zusammenhang zwischen den Geflüchteten, der Verschärfung sozialer Probleme und der wachsenden rassistischen Gewalt hergestellt – eine Position, die die Tür weit aufhält für rechtes Gedankengut, das darauf beruht, die Schwachen gegen die Schwächsten der Gesellschaft auszuspielen und die eigentlichen Verantwortlichen aus der Schusslinie zu nehmen. Folgerichtig werben die InitiatorInnen (wie alle Parteien, inklusive der AfD) zwar für eine Bekämpfung der Fluchtursachen, verlieren indessen kein Wort über eine menschenwürdige Integration der Geflüchteten und drücken sich um Antworten auf die Frage, wie mit hilfesuchenden Menschen umgegangen werden soll.
Solche Leerstellen eröffnen rechten Kräften Anknüpfungspunkte , die ganz anderes im Sinn haben, als Mehrheiten für die Verbesserungen der sozialen Lage aller Benachteiligten, gleich welcher Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht etc., zu sammeln. Es entbehrt übrigens nicht bitterer Ironie, dass #Aufstehen damit der Praxis der von ihr kritisierten etablierten Parteien folgt, die sich alle der chauvinistischen Position der AfD in der Flüchtlingsfrage angenähert haben. Die Hoffnung, den politischen Konkurrenten auf diese Weise zurückdrängen zu können, hat sich bekanntlich nicht erfüllt.
Diese Positionen von #Aufstehen stehen einerseits im Gegensatz zur Beschlusslage der Partei DIE LINKE und widersprechen zudem ihrem internationalistischen, emanzipatorischen und weltoffenen Grundverständnis.
Auch wenn wir die grundsätzlich formulierte Idee eines breiten gesellschaftlichen wie auch parlamentarischen Bündnisses als Gegengewicht zur Rechtsentwicklung begrüßen; zu erreichen ist es nicht durch die Orientierung auf den Ausbau des deutschen Nationalstaats zum Bollwerk gegen den globalen Finanzkapitalismus, wie das der Gründungsaufruf suggeriert. Zum einen, weil sich das durchaus mit den Zielen der Rechten deckt (Deutschland zuerst), andererseits weil der Staat auch im Zeitalter ökonomischer Globalisierung mehr denn je ein Herrschaftsinstrument des Kapitals ist, dem allerdings durch soziale und demokratische Kämpfe der Beherrschten Zugeständnisse abgerungen wurden.
Die Aufgabe linker Politik ist es, diese Rechte zu verteidigen und auszubauen – inner- und außerhalb der Institutionen, auf lokaler, nationalstaatlicher aber auch auf europäischer Ebene und darüber hinaus. Dem Rechtsruck, der sich in Fremdenfeindlichkeit, Demokratieabbau und dem Wiederaufblühen nationalistischer Romantik ausdrückt, werden wir jedenfalls nicht die Stirn bieten können, indem wir uns von ihm mitreißen lassen.
Wir sind überzeugt davon, dass es Aufgabe unserer Partei ist, die Menschen zur politischen Partizipation einzuladen. Wir suchen Bündnisse mit allen, die sich für einen demokratischen, sozialen, ökologischen und friedlichen Politikwechsel einsetzen. Dabei stehen der emanzipatorische Anspruch und basisorientierte Arbeit im Zentrum unserer Bemühungen. #Aufstehen hat Fragen nach der inneren Verfasstheit der Organisation bisher nicht zufriedenstellend beantwortet. Eine Organisation nach dem Top-Down-Prinzip mit Feedback-Möglichkeiten entspricht nicht unserem Verständnis einer basisdemokratischen Bewegung. Zusätzlich irritiert, dass Sahra Wagenknecht, eine der beiden Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, ihr Projekt gänzlich an der Partei vorbei ins Rollen gebracht hat. Kollektiven Debatten in den dafür vorgesehenen Parteistrukturen hat sie sich entzogen und stattdessen ihren Kurs über die Massenmedien vermittelt.
Die Mitglieder unseres Kreisverbandes bringen sich in viele verschiedene lokale Initiativen und Organisationen ein. Bewegungen wie die Seebrücke, wirsindmehr, das Konstanzer Bündnis für fairen Welthandel, der Protest gegen Vonovia oder die Unterstützung der gegen Lohnraub kämpfenden Maggi-Beschäftigten sind nur wenige aktuelle Beispiele dafür, wie basisorientierte Arbeit zur Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse funktionieren kann. Seit Jahren schon stehen unsere Mitglieder dafür auf und ein. Unser Anspruch ist, dieses breite gesellschaftliche Engagement zu fördern und die Stimmen all jener zu bündeln, die für mehr Gerechtigkeit und Solidarität streiten.
Bild: aufstehen.de
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