Kreishaushalt: Zahlenspielerein statt Ideenwettbewerb

16. Februar 2020  Kreistag, Region

Der Konstanzer Kreistag hat am 10. Februar den Haushalt des Landkreises für das laufende Jahr verabschiedet. Der Finanzplan hat ein Aufwendungsvolumen von 355 Millionen Euro, davon befinden sich knapp 200 Millionen im Sozialetat. Er rechnet demgegenüber mit Einnahmen von 366 Millionen Euro. Die Linksfraktion stimmte dem Entwurf zu. Fraktionsvorsitzende Sibylle Röth kritisierte jedoch, dass die Kreisumlage entgegen des Verwaltungsentwurfs von den angestrebten 32,5 auf 29,9 Prozentpunkte abgesenkt wurde. Als Neuling im Gremium beleuchtete sie zudem das Zustandekommen des Kreisetats kritisch. Ihre Rede im Wortlaut:


Lieber Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger,

als Sprecherin der Linken schließe ich mich dem Antrag von Grünen und FDP an, die Kreisumlage entsprechend des Haushaltsentwurfs von Dezember bei 32,5 % zu halten.

Wie wohl alle, die zum ersten eine kommunale Haushaltsaufstellung miterleben, zeigen sich auch bei mir einige Irritations-Erscheinungen. Man verzeihe mir meine Unerfahrenheit – die durchschaue die Regeln des Spiels noch nicht ganz. Ich hätte eigentlich gedacht, die Vorberatungen wären der Moment, in dem Jeder sein Lieblingsprojekt aus dem Hut zaubert und nun dafür kämpft, das nötige Geld dafür einzustellen. Im Ausgleich dazu, so meine naive Vermutung, wendet man sich dann gegen die Projekte der anderen oder macht Ausgaben im Haushaltsentwurf ausfindig, die man für verzichtbar hält. Im Ergebnis wäre das dann eine politische Debatte gewesen. An dieser Stelle hätte man dann auch über die von Herr Staab genannte Prioritätenordnung von Verwaltungsgebäuden und Flüchtlingsunterkünften trefflich streiten können – ich würde sagen: müssen.

Aber weit gefehlt: Denn in den Beratungen, die ich miterlebt habe, ging es viel weniger darum, wie man das Geld vernünftig ausgibt, als vor allem nicht zu viel Geld auszugeben. Und zu diesem Ziel werden keineswegs konkrete Ausgaben und Investitionen abgelehnt – anstatt die einzelnen Positionen des Haushaltsentwurfs in Frage zu stellen und zu diskutieren, wird den vorliegenden Teilhaushalten durchaus zugestimmt. Am Ende wird aber dennoch gefordert, dass all das auch für deutlich weniger Geld möglich sein müsse. Und so wird die Verwaltung beauftragt, noch mal alles durchzugehen, und hier und da weitere Einsparpotentiale zu entdecken, oder auch schlicht ihre Schätzungen so anzupassen, dass die Zahlen am Ende zum gewünschten Ergebnis führen.

Eine politische Auseinandersetzung sieht anders aus. Dabei wäre eine Sachdebatte sicherlich auch für die Bürgerinnen und Bürger interessanter als die Reduktion der Auseinandersetzung auf die Frage von Prozentpunkten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn der Kreistag bürgernäher und transparenter sein soll, sollten wir diesbezüglich unsere Debattenkultur überdenken.

Eben so irritierend ist an der ein oder anderen Stelle aber auch das Verhalten der Verwaltung. Bei der Einbringung des Haushaltsentwurfes im Dezember wurde von einer benötigten Kreisumlage von 32,5 % ausgegangen. Das lag über den im Oktober benannten Zielvorgaben einer nur geringfügigen Erhöhung auf 30,X %. Als noch unkalkuliertes Risiko wurde schon damals unter anderem die Abrechnung im Bereich Asyl mit dem Land benannt. Inzwischen wissen wir, dass dieses Risiko eingetreten ist, dass das Land die Kosten nicht vollständige übernimmt, so dass zwischenzeitlich ein Mehrbedarf von 7,5 Mio. aufgetreten ist. Anstatt aber, dass dadurch die Kreisumlage nach oben geht, setzt sich die Verwaltung hin, schaut nochmal alles durch und findet dabei tatsächlich hier und da noch so viel Geld, dass – Stand Januar – eine Kreisumlage von 31,9 % vorgeschlagen wurde.

Wie das geht? – unter anderem so: Man erhöht hinsichtlich der Stellenbesetzung den Erfahrungsabschlag – geht also davon aus und profitiert rechnerisch davon, ausgeschriebene Stellen nicht besetzten zu können; Man erhöht die geschätzten Einnahmen durch die Grunderwerbssteuer und durch Bußgelder – man kann ja nie wissen; Man beschließt hinsichtlich der Sachkosten der inneren Verwaltung eine Globale Minderausgabe – man schaut also mal, wie man im laufenden Geschäft das Geld doch noch so hier und da abknapsen kann. Aber nicht nur das, im Notfall wäre man auch bereit, eine weitere Reduzierung auf 31,75 % mitzutragen. Stand heute sind wir sogar bei 31,5 % – unter Antastung des Bauunterhalts.

Man spielt also genau das geforderte Spiel mit und kommt den Sparambitionen so weit entgegen, dass es kaum noch tragbar erscheint. Es wird deutlich: Die beteiligten Verhandlungspartner haben unterschiedliche Herangehensweisen hinsichtlich Konsens- oder Konfliktorientierung. Liebe Bürgerinnen und Bürger, wenn Ihnen gegenüber mit der Faktizität von Kosten und der Evidenz von Zahlen argumentiert wird, bleiben Sie misstrauisch!

Meine Damen und Herren, der Auftrag des Landkreises ist, die „für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl seiner Einwohner erforderlichen öffentlichen Einrichtungen“ bereit zu stellen. Das kostet Geld und zwar an manchen Stellen auch ganz schön viel. Zu nennen sind hier natürlich vor allem die immensen Investitionen in den Gesundheitsverbund. Diese werden zwar erstaunlich offenkundig durch eine Mangelfinanzierung des Landes verursacht, aber den „Schuldigen“ ausgemacht zu haben, hilft alleine ja noch nicht viel. Hinzu kommen die im Moment schwer zu kalkulierenden Kosten für den regionalen Busverkehr, aber auch ganz allgemeine Kostensteigerungen, die sich etwa durch höhere Mieten und Tarifsteigerungen ergeben. Dabei werden nicht einmal alle Stellen, von denen die Verwaltung überzeugt ist, sie zu brauchen – übrigens etwa auch in der Jugendhilfe, in der Schulsozialarbeit oder beim Pflegestützpunkt – und die ein Ausschuss für politisch geboten hält – wie etwa die Anstellung von IT-Fachkräften an den kreiseigenen Schulen, um die praktische Umsetzung der für erforderlich erachteten Digitalisierung gewährleisten zu können – auch tatsächlich eingerichtet.

Meine Damen und Herren, ich fürchte, hier wird an den falschen Stellen gespart. Natürlich brauchen auch die Kommunen Geld, um ihrerseits öffentlich Güter und Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Aber unser Bezugspunkt müssen die Einwohner, nicht die kommunalen Gliederungen sein. Kitaplätze lassen sich nicht gegen Berufsschulen aufrechnen. Stadtbusse nicht gegen Regionalbusse. Gerade die Einwohner kleinerer und finanzschwächerer Kommunen sind auf die Leistungen des Landkreises angewiesen.

Dabei ist eine Kreisumlage von 32,5 % keineswegs völlig übersteigert. Denn zum einen ist die Steuerkraft der Kommunen ja glücklicherweise spürbar gestiegen – was gleichzeitig für den Kreis Mindereinnahmen aus dem landesweiten Finanzausgleich bedeutet. Zum anderen lag die Kreisumlage auch in den Jahren 2003 bis 2007 stabil über dieser Prozentzahl, ebenso 1998 bis 2000, 2011 und 2013. Erst ab 2014 blieb der Hebesatz in den Folgejahren unter diesem Wert. Dass er aufgrund der geplanten und notwendigen Investitionen in den kommenden Jahren ohnehin weiter steigen wird, ist unbestritten.

Anhand dieser Überlegungen erachte ich eine Kreisumlage von 32,5 % für vertretbar und für das seriösere Ergebnis der Vorausberechnungen des Kreishaushalts. Angesichts der vielen und teilweise schlecht kalkulierbaren Herausforderungen scheint mir ein gewisser Spielraum geboten.

Vielen Dank!


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