Kurz vor der Bundestagswahl hat die Regierung eine seit Jahren versprochene Reform der Pflege beschlossen. Dazu Sibylle Röth, Bundestagskandidatin der Linken: „Nachdem der gemeinverbindliche Tarifvertrag kürzlich von der Caritas gestoppt wurde, war es dringend geboten, dass sich der Gesetzgeber der Frage annimmt. Sollte der Durchschnittslohn dadurch tatsächlich steigen, wäre das erfreulich – aber auch längst überfällig!“ Die vorgesehenen Änderungen seien indes lange nicht ausreichend und lassen sie befürchten, dass sich am Problem niedriger Löhne und großer Arbeitsbelastung kaum etwas ändere.
Die vorgebliche Tarifbindung lasse allzu viele Schlupflöcher offen, etwa Gefälligkeitsverträge zwischen Pseudogewerkschaften und Pflegeanbietern, die weiterhin keine fairen Löhne zahlen wollen. Ohnehin überlasse man die Aushandlung von Vergütungen weiter Verbänden und Kassen auf Landesebene. „Eine flächendeckende Lösung, die den Beruf insgesamt aufwertet, bleibt die Bundesregierung schuldig“, kritisiert Röth. „Um den Beschäftigten eine sichere Perspektive zu geben, braucht es eine spürbare Erhöhung der Grundgehälter um etwa 500 Euro monatlich, dauerhaft und für alle.“ Nur wenn der Beruf attraktiver werde, lasse sich auch der Personalmangel beheben, ist die Kandidatin überzeugt.
Die Reform werde überdies weder auskömmlich noch gerecht finanziert, verweist Röth auf die Überzeugung vieler Experten, wonach der jährliche Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro zu niedrig ist. Zugleich sei die Erhöhung des Beitragssatzes für Kinderlose nicht nachvollziehbar. „Spahns pauschale Unterstellung, Menschen ohne Nachwuchs seien wohlhabender, ist nicht haltbar“, so Röth. Für Ausgleich zu sorgen, sei Aufgabe des Steuersystems und des Kindergelds, nicht der Pflegeversicherung. „Es hierhin zu verlagern, macht nur Sinn, wenn man voraussetzt, dass Familien Pflegeaufgaben in hohem Maße privat übernehmen – und dass das auch so bleiben soll. Dahinter ist ein überkommenes Familien- und Frauenbild zu vermuten.“
Noch gravierender fällt Röth zufolge die fehlende Deckelung der Pflegekosten ins Gewicht, die in einem ersten Entwurf noch vorgesehen war. Statt einer klaren Begrenzung sei ein zeitlich gestaffeltes Stufenmodell vorgesehen, das am eigentlichen Ziel vorbeigehe: „Viel zu viele Menschen können sich von Beginn an stationäre Pflege nicht leisten und werden in die Sozialhilfe gedrängt. Eine Sozialversicherung ist aber dafür da, Risiken abzusichern – und zwar sobald sie eintreten.“
Neben einer solidarischen Steuerfinanzierung trete die Linke deshalb dafür ein, das Versicherungssystem selbst einheitlich zu gestalten. „Wir brauchen ein System, in das alle gemeinsam einzahlen und von dem alle gleichermaßen profitieren!“ Die Linke-Kandidatin verweist dazu auf das durchgerechnete Konzept ihrer Partei, mit dem die nötigen Verbesserungen in der Pflege solide finanzieren würden – zum Nutzen von Beschäftigten und Pflegebedürftigen. Für wichtig hält es Sibylle Röth zugleich, die Privatisierung und damit Kommerzialisierung des Pflege- und Gesundheitssystems rückgängig zu machen. „Es ist zynisch, auf der einen Seite kinderlose Beitragszahlende gegen die Gehälter der Pflegekräfte auszuspielen, aber gleichzeitig zuzulassen, dass mit Pflege weiterhin Gewinn gemacht wird!“
MM/jüg
Kommentar schreiben