Das totale Fiasko ist da. Nach fast 20 Jahren Intervention stehen Bundeswehr und NATO in Afghanistan vor einem Scherbenhaufen. Hunderttausende fliehen und bangen um ihr Leben, darunter auch Menschen, die die Bundeswehr angeworben hat. Die Bundesregierung hat in dieser Krise komplett versagt.
In einer fatalen Verkennung der Lage vor Ort gab es weder eine verantwortungsvolle Ausstiegsstrategie, geschweige denn realistische Notfallpläne für notwendige Evakuierungen. Noch letzte Woche wurden Anträge der LINKEN und der Grünen zur unbürokratischen Evakuierung der Ortskräfte und anderer bedrohter Menschen abgelehnt. Es ist eine politische und moralische Bankrotterklärung, dass nach wochenlanger Untätigkeit und bürokratischer Blockade jetzt tausende Helferinnen und Helfer in dem von den Taliban kontrollierten Afghanistan im Stich gelassen werden und um ihr Leben bangen müssen.
Hierzulande haben Union und SPD – offenbar aus Angst vor der ultrarechten Stimmungsmache im Bundestagswahlkampf – die Aufnahme von Menschen so lange wie irgend möglich bürokratisch verunmöglicht. Abschieben wollte man bis zuletzt, aufnehmen so spät wie möglich. Jetzt bricht in Afghanistan die alte Ordnung zusammen, jetzt wird es für viele Menschen zu spät sein.
Mehr Scheitern nach 20 Jahren bewaffneten Großeinsatz der Bundeswehr ist schwer vorstellbar. Allein die Bundeswehrpräsenz hat 12,5 Milliarden Euro gekostet. Zehntausende Afghan*innen und auch tausende Soldat*innen aus den NATO-Mitgliedsstaaten sind gestorben, darunter 59 aus Deutschland. Trotzdem sind die islamischen Fundamentalist*innen heute stärker als zuvor: Nach der Kapitulation der von der NATO ausgebildeten und aufgerüsteten afghanischen Armee verfügen die Taliban nun über eine hochgerüstete Streitmacht mit modernstem Kriegsgerät – und über einen Staat.
DIE LINKE hat den Einmarsch der westlichen Armeen in Afghanistan von Beginn an abgelehnt, im Wissen darum, dass Demokratie und Menschenrecht nicht herbeigebombt werden können. Alle deutschen Militäreinsätze müssen beendet werden. Nicht nur, aber auch, weil Afghanistan ein solches Debakel ist.
Die Bundesregierung muss jetzt zumindest dies sicherstellen:
- Die Menschen retten! So schnell, so unbürokratisch und so viele es geht: Es braucht sofort eine Luftbrücke für eine Massenevakuierung und ein Visa-Notprogramm damit Flugzeuge ohne komplizierte Anträge betreten werden können. Menschen versuchen auch über die Grenze in benachbarte Staaten zu fliehen. Wir fordern deshalb die Vergabe humanitärer Visa in den deutschen Botschaften in Afghanistans Nachbarstaaten. Für alle Menschen, die nun in ihrem Leben bedroht sind.
- Es braucht eine massive Aufstockung des UN-Flüchtlingsfonds für Afghanistan. Es ist jetzt mit einer langandauernden Fluchtbewegung zu rechnen. Bereits Ende 2020 lebten 2,6 Millionen Afghan*innen als Flüchtlinge in den Anrainerstaaten Iran und Pakistan. Mehr als drei Millionen Afghan*innen gelten als Binnenvertriebene im eigenen Land.
- Wir brauchen ein europäisches Aufnahmeprogramm. Und Deutschland sollte vorangehen. Viele Länder und Kommunen mit linker Regierungsbeteiligung haben bereits ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan erklärt! Es braucht jetzt einen konsequenten und sofortigen Flüchtlingsschutz.
DIE LINKE Kreisvorstand Konstanz
Sibylle Röth, Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Konstanz
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