Das Gesundheitssystem und in erster Linie sein Personal sind seit nunmehr fast zwei Jahren dauerhaft enormen Belastungen ausgesetzt. Wegen der fehlenden Bereitschaft zu vieler Menschen, sich trotz Möglichkeit impfen zu lassen, und dem teils planlosen Agieren der Regierenden wird die Krisensituation auch noch länger anhalten. Doch die Folgen sind schon jetzt mehr als dramatisch: Laut Verdi Südbaden Schwarzwald haben in der Region bereits mehr als 3.000 Pflegekräfte ihren Beruf verlassen.[1] Das heißt auch, dass die Arbeitsbelastung für die verbliebenen Pflegekräfte noch höher wird, in Folge dessen krankheitsbedingte Ausfälle und weitere Berufsaustritte zu erwarten sind. Kurz: Eine klassische Abwärtsspirale, der die Politik endlich entgegentreten muss!
Die Krankenhäuser sind massiven Herausforderungen ausgesetzt, um neben dem Normalbetrieb der Grundversorgung auch die pandemische Notsituation zu bewältigen. Schon jetzt können Betten auf Intensivstationen nicht genutzt werden, einfach weil das Personal fehlt. Schon jetzt müssen notwendige, aber nicht dringende Operationen verschoben werden. Schon jetzt müssen Patient*innen zwischen den Bundesländer verschoben werden, weil sie regional nicht mehr versorgt werden könnten. Unter den gegebenen Bedingungen führt dies auch zu massiven finanziellen Problemen, die die Substanz des öffentlichen Gesundheitswesens bedrohen Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft e.V. weist darauf hin, dass 65% der baden-württembergischen Krankenhausgeschäftsführungen damit rechnen, dass ihr Haus für das Jahr 2021 mit roten Zahlen abschließen werde.[2]
Diese Probleme sind auch hier bei uns im Kreis Konstanz akut. Dieses Jahr musste der Landkreis den Klinikverbund wieder in Millionenhöhe stützen. Dabei macht die Pandemie aber letztlich nur die jahrelange politische Fehlsteuerung im Bereich der Gesundheitsversorgung offensichtlich: Die Kombination aus Landesmitteln für Investitionen und Fallpauschalen für den laufenden Betrieb ist schlicht nicht auskömmlich. Da werden auch weder die seitens der Klinikleitung geplanten kleinteiligen Einsparungen helfen, noch werden die Ergebnisse des vom Kreistag beauftragten Strukturgutachtens den Weg weisen können. Denn wo die Finanzierung nicht ausreicht, lässt sich Wirtschaftlichkeit schlicht nicht erreichen. Zu befürchten steht viel mehr, dass so weiter Substanz abgebaut wird, sich die Arbeitsqualität der Beschäftigten weiter verschlechtert, die Abwärtsspirale in eine weitere Runde geht.
Das dies auch der Kreistag erkannt hat, begrüßen wir: In seiner Resolution vom 20.12.2021 hat das Gremium eindeutig Position bezogen, indem es Bund und Land zum Handeln auffordert. Denn sowohl finanziell wie personell stehe man mit dem Rücken an der Wand. [3] Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass Baden-Württemberg im Vergleich der Flächenbundesländer die geringste Bettendichte aufweist. Noch 2017 hatte der Landkreistag genau dies als Ergebnis einen gelungenen Strukturwandels verkauft. [4] Zumindest diese Sichtweise ist nun also glücklicherweise überwunden. Dennoch erschreckt es, wenn einige Kreisrät*innen schmerzhafte aber notwendigen Einschnitten in der Gesundheitsversorgung für unvermeidbar halten. Angesichts der Pandemie sollte doch eigentlich jedem deutlich vor Augen stehen, dass Sparen hier der ganz falsche Weg ist!
Wir dürfen es nicht weiter zulassen, dass das Klinikpersonal die Versäumnisse der Pandemie-Politik ausbaden muss. Eine einmalige Coronaprämie ist hier ein zu schwaches Symbol, und da sie zudem nur selektiv ausgeteilt werden soll, nahezu ein Hohn! Was stattdessen notwendig wäre, bringt Verdi auf den Punkt: Eine gesetzlich vorgeschriebene Personalbemessung, die bedarfsgerechte Finanzierung des Gesundheitssystems, die Sicherstellung des Arbeitsschutzes und gesundheitsfördernde Maßnahmen, sowie verlässliche Arbeits- und damit eben auch Freizeiten. [5] Dem können wir uns als LINKE nur anschließen. Bereits im Januar letzten Jahres hat unsere Bundestagsfraktion einen entsprechenden Antrag mit dem Titel „Systemwechsel im Krankenhaus – Gemeinwohl statt Kostendruck und Profite“ eingebracht. Im März folgte ein Antrag zu einer bedarfsgerechten Personalbemessung. Beide Anträge wurden am 24.06.2021 im deutschen Bundestag abgelehnt.[6] Dennoch werden wir nicht locker lassen: Der Kampf für ein solidarisches Gesundheitssystem und angemessene Arbeitsbedingungen geht weiter!
[1] Gesamte Regio : Ver.di Südbaden Schwarzwald schlägt Alarm: 3.000 Pflegekräfte in Regio sind aus Beruf wegen Bedingungen geflüchtet – Fachkräftemangel gefährdet Patientenversorgung in Pandemie – RegioTrends
[2] BWKG-Indikator 2/2021: Fast zwei Drittel der Krankenhäuser in 2021 mit roten Zahlen
[3] TOP 6.3 Resolution „Krankenhäuser in der Krise“ SessionNet | Kreistag – 20.12.2021 – 14:00 Uhr (lrakn.de)
[4] Kernerwartungen an die Krankenhauspolitik in Bund und Land
[5] Ver.di Südbaden Schwarzwald schlägt Alarm
[6]Deutscher Bundestag – Anträge zur Finanzierung von Krankenhäusern abgelehnt